Bessere ambulante Versorgung für Kinder und Jugendliche mit Seltenen Erkrankungen
Innovationsfonds gefördertes Projekt „B(e) NAMSE“ erfolgreich gestartet
Wenn die Ausnahme zur Regel wird: In Deutschland sind rund 4 Millionen Menschen von einer Seltenen Erkrankungen betroffen. Obwohl der Anteil von Kindern und Jugendlichen in dieser Gruppe stetig zunimmt, ist die Versorgungssituation der jungen Menschen oft unzureichend.
Die neue Versorgungsform „B(e) NAMSE – Telemedizinunterstützte, interdisziplinäre, multiprofessionelle und altersübergreifende Versorgung von jungen Menschen mit Seltenen Erkrankungen durch NAMSE-B-Zentrums-Cluster“ soll unter der Leitung von Prof. Boris Zernikow (Chefarzt Kinderpalliativmedizin und Kinderschmerzmedizin, Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke) und Prof. Corinna Grasemann (Leitung Centrum für Seltene Erkrankungen Ruhr – CeSER, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Katholischen Klinikum Bochum – Ruhr-Universität Bochum) die Versorgungssituation von jungen Menschen mit Seltenen Erkrankungen verbessern. Versorgende, Krankenkassen und Forschende arbeiten in B(e)-NAMSE eng zusammen, um eine optimal strukturierte, verlässliche und nachhaltige ambulante Behandlung zu ermöglichen. Der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses fördert das B(e)-NAMSE mit rund 9 Millionen Euro über 3,5 Jahre – ein starkes Statement für chronisch kranke Kinder und Jugendliche sowie deren Familien.
Rund 4 Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Seltenen Erkrankung. „Selten“ bedeutet: Nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen sind von der Erkrankung betroffen. Insgesamt sind mehr als 6.000 Seltene Erkrankungen bekannt. Diese sind häufig wenig erforscht und spezifische Behandlungsmöglichkeiten fehlen. Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Seltenen Erkrankungen stellen sich besondere Fragen bei der Behandlung der Erkrankung, bei ihrer Versorgung und dem Blick in die Zukunft. Zudem gibt es viele unterschiedliche Behandelnde, Einrichtungen, Ansprechpartner:innen und Anlaufstellen, die möglichst optimal koordiniert sein müssen. Hier setzt das Projekt B(e) NAMSE an:
Fünf Universitätskliniken mit Zentren für Seltene Erkrankungen in Augsburg, Bochum, Datteln, Dresden und Würzburg erproben neue Wege in der Versorgung dieser oft unzureichend versorgten Kinder und Jugendlichen. Das Projekt soll die Versorgungsqualität spürbar und messbar steigern – durch eine engere Verzahnung von Prozessen, beispielsweise durch den Einsatz von Telemedizin und eine bessere Überleitung der Patient:innen aus der Kinder- und Jugendversorgung in die Erwachsenenversorgung, Transition genannt. „Die Versorgung dieser Kinder ist extrem anspruchsvoll. Es fehlt eine ausreichende Vernetzung und Koordination ihrer Behandlungsprozesse, um optimal auf die Bedürfnisse und Bedarfe der Kinder und Jugendlichen sowie deren Familien eingehen zu können.“, erklärt Boris Zernikow den Grundgedanken des Projektes: „Wir möchten alle Versorgungsprozesse besser verknüpfen, die Expert:innen auch digital an einen Tisch holen und die weitere Behandlung gemeinsam mit unseren Patient:innen und ihren Familien planen.“ In den sogenannten Fallkonferenzen arbeiten zukünftig Mediziner:innen, Psycholog:innen und Case Manager:innen zusammen, erläutert Corinna Grasemann: „Solche komplexen Versorgungsformen zu erforschen und zu etablieren, ist eine Herausforderung und bedarf eines multiprofessionellen Teams. Wir werden nicht nur die Diagnostik und Therapie besprechen, sondern auch Schulungen der Betroffenen und ihrer Familien zum Umgang mit der Erkrankung planen – sowohl persönlich als auch telemedizinisch.“
Die neuen Ansätze werden wissenschaftlich begleitet: Die Universität Witten/Herdecke und das gemeinnützige Forschungs-Unternehmen PedScience aus Datteln untersuchen, ob sich die Qualität der Versorgung durch die neue Herangehensweise verbessert. Prüfen werden sie auch, wie die Familien und die Versorgenden die neue Versorgungsform erleben und wie viel sie kostet.
Projektpartner von B(e) NAMSE sind außerdem die Techniker Krankenkasse, die Barmer, die AOK Bayern und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Die Perspektive der Patient:innen bringt die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V. ein.
Erfolgreicher Kick-off – B(e) NAMSE nimmt Fahrt auf
Ein wichtiger Meilenstein für den Projektstart wurde mit dem erfolgreichen Kick-Off-Treffen in der Universitätskinderklinik in Bochum erreicht. Aus dem ganzen Bundesgebiet kamen die Konsortialpartner:innen zusammen, um gemeinsam die Weichen für die kommenden Projektphasen zu stellen. Im Fokus standen der Austausch über die zentralen Projektziele, die Abstimmung erster Arbeitspakete sowie die Entwicklung einer effizienten Kooperationsstruktur.
Neben inhaltlichen Diskussionen zu telemedizinischen Anwendungen und interdisziplinären Behandlungsansätzen bot das Treffen auch Raum für persönliche Begegnungen und den Aufbau eines starken Netzwerks unter den beteiligten Partner:innen. Die Teilnehmenden waren sich einig: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist der Schlüssel zu einer verbesserten und nachhaltigen Versorgung junger Menschen mit Seltenen Erkrankungen.
Die enge Zusammenarbeit zwischen medizinischen Fachkräften, Wissenschaftler:innen sowie den Krankenkassen und Patient:innenvertretungen ist essenziell, um langfristig eine flächendeckende und qualitativ hochwertige vornehmlich ambulante Versorgung für diese besondere Patient:innengruppe sicherzustellen.
Mit der erfolgreichen Auftaktveranstaltung ist der erste Schritt getan – nun beginnt die konkrete Umsetzung der Maßnahmen, die die medizinisch-psychologische Betreuung nachhaltig verbessern sollen.
Über uns:
Vestische Kinder- und Jugendklinik – Universität Witten /Herdecke
Die Vestische Kinder‐und Jugendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke ist eine der größten und leistungsstärksten Kinder‐ und Jugendkliniken der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist eine regional und überregional tätige Kinder‐ und Jugendklinik mit breitem Behandlungsspektrum und mehr als 9.000 stationären und bis zu 60.000 ambulanten Patient:innen, die in 20 verschiedenen Fachbereichen betreut werden. Als Kinder‐und Jugendklinik der Universität Witten/Herdecke arbeitet sie auf dem Niveau einer Universitätsklinik. In den Jahren 2006 bis 2010 wurde in einem eigenen Trakt das erste Kinderpalliativzentrum Deutschlands errichtet. Mit Förderung des Landes NRW, der RTL Stiftung – Wir helfen Kindern und zahlreicher Einzelspenden konnte auf dem Dach des Kinderpalliativzentrums das über 9 Millionen teure OP-Zentrum mit Namen LichtHafen realisiert und im Oktober 2022 eröffnet werden. Von der Klinik werden mehrere Fachzentren für Seltene Erkrankungen (sogenannte NAMSE B-Zentren) betrieben, beispielsweise für Epidermolysis Bullosa, Seltene Schmerzerkrankungen, Seltene gastroenterologische Erkrankungen, Seltene Schlaferkrankungen oder Seltene neuropädiatrische Krankheitsbilder.
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Katholischen Klinikum Bochum
Die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Bochum ist ein Haus der Maximalversorgung und betreut jährlich über 4.500 Patienten stationär und 33.000 Patienten ambulant. Die Gesamtklinik bietet ein breites Spektrum in den pädiatrischen Schwerpunkten Neonatologie, Neuropädiatrie, Stoffwechselmedizin, Endokrinologie und Osteologie, Diabetologie, Rheumatologie, Pneumologie, Schlafmedizin, Immunologie und Allergologie, Gastroenterologie sowie Kardiologie an. Mit der Abteilung für Seltene Erkrankungen ist das A-Zentrum des CeSER an der Klinik angegliedert. Überdies sind zwei Medizinische Versorgungszentren für Pädiatrische Radiologie sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Klinik angesiedelt. Darüber hinaus hält die UKK Bochum ein Forschungsdepartement für Kinderernährung und eine Kinderschutzambulanz vor und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Krankheitsprävention.
An der Klinik sind mit den Fachzentren (B-Zentren) für Seltene osteologische Erkrankungen, dem Zentrum für Seltene Hormonerkrankungen, dem Huntington Zentrum Ruhr und dem Zentrum für Seltene Lungenerkrankungen gleich vier Fachzentren mit international ausgewiesener Expertise und Beteiligung in Europäischen Referenznetzwerken (ERN) für Seltene Erkrankungen angesiedelt.
Das Centrum für Seltene Erkrankungen Ruhr – CeSER
Das CeSER wurde Anfang 2014 gegründet und verbindet als Kompetenznetz der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Witten/Herdecke Expert:innen, Kliniken und Institute, die an der Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen beteiligt sind. Gemeinsames Ziel ist es, die Versorgung von Patient:innen mit Seltenen Erkrankungen im östlichen Ruhrgebiet und darüber hinaus durch fach- und sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu verbessern.
Das zertifizierte A-Zentrum des CeSER an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde des Katholischen Klinikums Bochum ist eine Anlaufstelle für Menschen mit Seltener Erkrankung und unklarer Diagnose, ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte und die Patientenselbsthilfe. CeSER übernimmt Koordinationsaufgaben in nationalen und internationalen Verbünden. Aktuelle Informationen finden Interessierte unter www.ceser.de
Universität Witten/Herdecke
Die Universität Witten/Herdecke wurde 1982 als Bildungs- und Forschungsort gegründet. Knapp 3.000 Studierende lernen und forschen hier in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Gesellschaft in 16 Studiengängen.
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