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5. Ruhrgebietskongress zur Kinder- und Jugendgesundheit

Unter dem Motto „Gesund aufwachsen im Revier“ lud MedEcon Ruhr bereits zum fünften Mal zum regionalen Austausch der Professionen und Institutionen aus Gesundheitsversorgung, Bildungswesen, Jugendhilfe und Wohlfahrt ein. Über 240 Teilnehmende folgten der Einladung und fanden sich unter der Moderation von Dr. Sabine Schipper (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft NRW, MedEcon-Vorstand) am 9. März im Hotel Franz in Essen ein.

Der Schirmherr, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, wurde in diesem Jahr durch Gesundheits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann vertreten. In seinem mit spürbarer Leidenschaft vorgetragenen Grußwort betonte er – auch mit Blick auf das Ruhrgebiet – die insgesamt hohe Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens. Er wendete sich aber dann der Frage zu, inwieweit sich hinter diesem Gesamtbild zunehmende Diskrepanzen verbergen, denen man sich rechtzeitig und vorausschauend widmen müsse. Explizit sprach Minister Laumann die pädiatrische Versorgung in strukturschwachen Stadtteilen an. Weiterhin verwies er auf die Engpässe in der geburtshilflichen Versorgung durch Hebammen. Übergreifend seien die Personalbedarfe im Gesundheitswesen offenkundig. Der Zustrom an z.B. rumänischem Fach-personal sei hierfür keine Lösung. Einerseits führe er im Heimatland zu einer heftigen Unterversorgung. Anderer¬seits sei das Interesse junger Menschen hierzulande an einer beruflichen Tätigkeit im Gesundheitswesen hoch: Es komme darauf an, ihnen die entsprechenden Möglichkeiten in Ausbildung und Berufseinstieg zu bieten.

Kooperativer Kinderschutz: Medizin und Jugendhilfe

Minister Laumann widmete sich auch dem ersten Schwerpunkt des Kongresses, nämlich dem medizinischen Kinderschutz als Partner der Jugendhilfe. Er begrüßte die langjährigen Bemühungen im Rahmen von „Gesund aufwachsen im Revier“ und verwies auf die aktuellen Initiativen der Landesregierung, die auf eine nachhaltige finanzielle Unterstützung der Kinderschutzambulanzen zielen. Im weiteren Verlauf zeigte sich, dass sich diese Initiativen und das unter Federführung von MedEcon Ruhr auf den Weg gebrachte Verbundprojekt „MeKids.best“ bestens ergänzen. Das an der Ruhr angesiedelte Vorhaben wird über den nationalen Innovationsfonds für neue Versorgungsformen gefördert und soll deutschlandweit Maßstäbe für den medizinischen Kinderschutz setzen. Die Thematik wurde im Plenum aus medizinischer Perspektive durch Dr. Tanja Brüning, Leiterin der Kinderschutzambulanz Datteln, und aus dem Blickwinkel der Jugendhilfe von Lorenz Bahr, Leiter des LVR-Landesjugendamtes, aus¬geleuchtet. Deutlich wurde, dass die Medizin in ihrer Rolle als zuverlässiger Partner der Jugendhilfe gestärkt wer¬den muss. Hierfür ist es aber erforderlich, die entsprechenden Leistungen als Teil der Regelversorgung standardbasiert und finanziell abgesichert erbringen zu können.

Psychosomatik: Beschwerden ohne organische Ursachen?

Im Mittelpunkt des Kongresses standen diesmal funktionelle und somatoforme Störungen im Kindes- und Jugendalter – dies sind körperliche Beschwerden (u.a. Kopf-, Bauch- oder Glieder¬schmerzen, Müdigkeit und Übelkeit), für die trotz wiederholter Untersuchungen keine organische Erklärung gefunden wird: Ein Thema, das nicht nur die Medizin betrifft, sondern auch weitere Heil-, Bildungs- und Sozialberufe betrifft, die mit den betroffenen Kindern alltäglich zu tun haben. Die Folgen für die Kinder sind erhebliche Beeinträchtigungen der Alltagsaktivität, z.B. Kindergarten- und Schulfehlzeiten sowie zusätzliche psychische Störungen. Eltern haben die Sorge, dass die körperliche Ursache der Erkrankung über-sehen, oder die Erkrankung selbst von den Ärzten nicht ernst genug genommen wird. Dies führt häufig zu Behandlungsabbrüchen, zahlreichen Arzt¬wechseln sowie eigentlich unnötigen Krankenhausaufenthalten.
In seinem Hauptvortrag thematisierte Prof. Meinolf Noeker, Krankenhausdezernent des LWL-Psychiatrie-Verbundes Westfalen, sowohl das Spektrum der diversen funktionellen Störungsbilder als auch den daraus resultierenden Umgang mit den betroffenen Eltern und Kindern. Systematisch rückte er die Verwobenheit zwischen biologischen und psychosozialen Aspekten in den Mittelpunkt. Eine große Herausforderung stelle die Diskrepanz zwischen der objektiven Diagnostik des Arztes und dem subjektiven Beschwerdeerleben des Patienten dar – das erfordere eine erhöhte Sensibilität in der Arzt-Patienten-Kommunikation. Somit komme der Patientenaufklärung bzw. Psychoedukation eine elementare Rolle im Behandlungsprozess zu.

In der anschließenden Diskussionsrunde mit Sabine Depew (Caritasverband Bistum Essen), Dr. Joachim Opp (Ev. Kranken¬haus Oberhausen), Dr. med. Frank Renken (Gesundheitsamt Dortmund) und Christiane Thiele (Berufsverband der Kinder-und Jugendärzte) zeigte sich sehr schnell, dass diese Thematik in hohem Maße einen lebensweltlich orientierten und interprofessionellen Ansatz erfordert. Wichtig waren u.a. die Hinweise auf sozialbedingte Prävalenzen und Chronifizierungsrisiken dieser rein medizinisch nur schwer zugänglichen Problemlagen.

Die Thematik wurde in einem anschließenden Forum mit span¬nenden Vortragen weiter vertieft. Dr. Julia Wager (Deutsches Kinderschmerzzentrum, Datteln) stellte das CHAP-Projekt vor, welches die Situation von Jugendlichen mit wiederkehrenden Schmerzen durch die Befragung von Schülern und Eltern ana-lysiert, um neue Behandlungskonzepte entwickeln zu können. Dr. Manuel Föcker (UK Münster) widmete sich der dialektischen Verhaltenstherapie als Ansatz zur Behandlung von funktionellen Störungen. Prof. Dr. Rainer Georg Siefen (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Ruhr- Universität Bochum) beschäftigte sich mit der Frage, inwiefern das Verhalten der Eltern die Beschwerden der Kinder beeinflusst und es insofern eine entscheidende Rolle in der Diagnostik spielt.
Vorträge, Diskussionen und Rückmeldungen bestärken MedEcon Ruhr darin, der hier erstmalig aufgerufenen Thematik im Rahmen von „Gesund aufwachsen im Re¬vier“ zusammen mit unseren Partnern aus den verschiedenen Berufszweigen weiter nachzugehen.

Medienkonsum und Kindergesundheit

Psychosomatische Aspekte spielten auch im zweite Forum eine Rolle, das sich mit den Phänomenen „Internetabhängigkeit“ und „Cybermobbing“ im Kindes- und Jugendalter beschäftigte. Magnus Hof-mann stellte die Arbeit des Auxilium Reloaded in Dortmund vor, eine therapeutische Facheinrichtung für Jugendliche und junge Erwachsene mit riskanten Medienkonsum und damit verbundenen Realitätsverlusten. Robert Sabelberg (Landespräventionsstelle gegen Gewalt und Cybergewalt an Schulen in NRW) erläuterte Hintergründe und Strategien klärte die Notwendigkeit von Präventionsprojekten an Schulen, um Cybermobbing auf ein Minimum zu reduzieren. Dr. Wegmann (Universität Duisburg-Essen) stellte die Forschungsergebnisse der Studie „Geschickt geklickt?!“ dar, welche den Zusammenhang von Internetnutzungskompetenzen, Internetsucht und Cybermobbing bei Jugendlichen aufzeigt.
Weiterhin beschäftigte sich ein themenoffenes Kolloquium mit verschiedenen Fragestellungen der Kin-der- und Jugendgesundheit. Eine besondere Rolle spielten dabei die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern als zentrales Element von Gesundheitsförderung und Behandlungsprozessen.

Mittwoch, 27. März 2019